© Eva Soulu
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Ohne sie fühlte ich mich wie ein Schiffbrüchiger, hilflos den Gewalten des
Meeres ausgesetzt, haltlos im Zorn des Sturmes. Wieder einmal lag ich nachts
wach und versuchte verzweifelt, die Leere in meinem Herzen mit Erinnerungen an
sie zu füllen. Ihr Kuss, stürmisch wie das Meer, vor dem sie mich gerettet
hatte, und doch sanft wie das Flüstern der Wellen. Das Glitzern der Schuppen im
Sonnenlicht, als sie, die Tochter des Meeres, in die Tiefen des Ozeans
zurückkehrte und mich am Strand zurückließ, beseelt von ihrem Zauber.
Unruhig drehte ich mich auf die andere Seite. Es linderte meinen Schmerz nicht,
an den Teil ihres Wesens zu denken, der sie schließlich von mir entfernt hatte.
Ich öffnete die Augen und sah mich selbst eingebettet in silbernes Mondlicht,
das durchs Fenster fiel. Ihre Gestalt, bleich und anmutig im Schein des
Vollmondes. Ihr Haar, das sich voll und dunkel über ihren Rücken ergoss. Ihre
Augen, geheimnisvoll wie das Meer, aus dem sie kam, und gleichzeitig beseelt von
der Sehnsucht nach dessen Freiheit. Ihr Lächeln, schwankend zwischen Liebe und
Schmerz, als ich sie bat, mit mir zu kommen. Doch so sehr ich mich selbst
betrog, das schmerzhafte Ende verdrängte und mich in Erinnerungen an diese alles
bedeutende Liebe wiegte, konnte ich doch nicht vergessen, dass der Platz neben
mir kalt und leer war. Ich umklammerte mich selbst in einem verzweifelten
Versuch, nicht zu zerbrechen, in tausend Stücke zu zerfallen. Der Schmerz in
meiner Brust pochte erbarmungslos, ließ mich nicht atmen, zerstörte mich mit
jedem Herzschlag ein bisschen mehr.
Und plötzlich hörte ich sie. Sie sang, schöner als sie je zuvor gesungen hatte,
ihre Stimme erfüllt von jener bittersüßen Melancholie, die auch mir das Herz
brach. Und jeder Ton brachte mich näher zu ihr, der einzigen, die ich je geliebt
hatte. Sheelagh. Ich bemerkte erst, dass ich weinte, als ich aufstand und Tränen
mein Hemd durchnässten.
Ihre Stimme rief mich. Ich wusste, dass es ein Abschied ohne Wiederkehr war, und
doch ging ich zu ihr. Ich schloss die Tür der Fischerhütte und ließ ohne
Bedauern zurück, was von meinem Leben noch übrig war. Mit schlafwandlerischer
Sicherheit lenkte ich meine Schritte zur Bucht, dem Klang ihres Liedes folgend,
jeder Schritt vom Klang ihres Namens erfüllt.
Am Strand blieb ich stehen, nahm ein letztes Mal die Schönheit des Irdischen in
mich auf. Kaltes Wasser umspielte meine Zehen, salziger Wind strich kühl über
mein Gesicht. Der Vollmond stand rund am nächtlichen Himmel, die Sterne
strahlten hell auf dessen nachtschwarzem Grund. Ich blickte nicht zurück.
Ich entledigte mich meines Hemdes und ließ es auf den weichen Sand fallen, weiß
leuchtend wie ein Geist in dieser dunklen Nacht. Langsam watete ich ins Wasser,
ungeachtet der eisigen Wellen, ging zielstrebig weiter in die undurchdringlichen
Fluten des Meeres. Und die ganze Zeit begleite mich ihr Lied, führte mich sicher
durch die Dunkelheit. Zum ersten Mal seit ich sie hatte gehen lassen fühlte ich
mich wieder ganz.
Ich begann zu schwimmen, durchteilte die schwarzen Wellen mit kräftigen
Bewegungen. Mit jedem Meter, der mich von der Insel, dem Dorf und meinem leeren
Leben dort trennte, fühlte ich mich freier, und entschlossen schwamm ich weiter.
Ich schwamm, bis ich keine Kraft mehr hatte. Meine Lungen füllten sich mit einem
letzten, von der salzigen Meeresbrise getränkten Atemzug, meine Ohren hörten zum
letzten Mal das Rauschen der Wellen. Dann wurde ich eins mit dem Meer und
versank in dessen dunklen Fluten. Doch bevor es schwarz um mich wurde, sah ich
ihren weißen Körper, spürte den sanften Druck ihrer Arme, die sich um mich
schlangen. Und ich lächelte.
Von Tatjana Bacovsky (2008)
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